IMI-Standpunkt 2025/037
NATO-Gipfel, neues Ausgabeziel und deutsche Haushaltsplanung: Der Wahnsinn in Zahlen
von: Tobias Pflüger und Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 24. Juni 2025
Es ist relativ sicher, dass die NATO morgen ein neues Ausgabenziel von 5% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) beschließen wird. Sobald dies geschehen ist, werden wir auch die IMI-Studie 2025/1 „Militärausgaben und Sozialabbau“ umfassend aktualisieren. Hier vorab aber schon etwas Material, um die Zahlen einordnen zu können, sollten sie morgen beschlossen werden:
Das neue NATO-Ausgabenziel von 5% des BIP soll sich aus zwei Komponenten zusammensetzen: Militärausgaben von 3,5% des BIP (Verteidigungsausgaben, Waffenlieferungen….) im engeren und von 1,5% des BIP im weiteren (militärrelevante Infrastrukturmaßnahmen…) Sinne. Spiegel Online zitiert vorab aus dem überaus knapp gehaltenen Abschlussdokument des Gipfels den zentralen Passus: „Die Verbündeten sagen zu, bis 2035 jährlich fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die zentralen Verteidigungsaufgaben sowie in verteidigungs- und sicherheitsrelevante Ausgaben zu investieren.“
Dass es im Übrigen keineswegs zwingend war, diesem Aufrüstungspaket zuzustimmen, zeigt das spanische Beispiel: Unter Verweis er werde keineswegs massive Sozialkürzungen zugunsten steigender Rüstungsausgaben akzeptieren, pochte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez auf eine Ausnahmeregelung, die es seinem Land – zumindest aus seiner Sicht – ermöglicht, deutlich unter dem NATO-Ausgabenziel zu blieben.
Dennoch will Deutschland die Vorgaben sogar bereits früher als im Abschlussdokument des NATO-Gipfels angepeilt erreichen: Laut den am 24. Juni 2025 vorgelegten Eckwerten für die kommende Haushaltsplanung soll der Verteidigungshaushalt von 51,95 Mrd. Euro (2024) auf 152,8 Mrd. Euro (2029) ansteigen. Hinzu sollen 2029 die ebenfalls von der Schuldenbremse ausgenommenen Ausgaben für Zivil- und Bevölkerungsschutz (2,3 Mrd.), Nachrichtendienste (2,4 Mrd.), IT-Sicherheit (1,7 Mrd.), Waffenlieferungen insbesondere an die Ukraine (8,5 Mrd.) kommen. Dies würde sich auf 167,8 Mrd. Euro bzw. 3,5% des BIP summieren, zu denen noch die Gelder für militärische Infrastrukturausgaben von 1,5% des BIP kommen dürften – zusammen also rund 240 Mrd. Euro bei einem geplanten Gesamthaushalt von 573,8 Mrd. Euro!
Hier nochmal im Einzelnen die laut den Eckwerten für die kommende Haushaltsplanung vom 24. Juni 2025 anvisierten Zahlen für die offiziellen Verteidigungshaushalte:
2025: 62,4 Milliarden Euro
2026: 82,7 Milliarden Euro
2027: 93,3 Milliarden Euro
2028: 136,5 Milliarden Euro
2029 152,8 Milliarden Euro
Als „historisch“ bezeichnete NATO-Generalsekretär Mark Rutte die Einigung auf das neue Ausgabenziel und das ist sie in der Tat: Der bisherige Höchststand der deutschen Rüstungsausgaben reicht ins Jahr 1963 und lag damals mit 4,88% des BIP unter den derzeitigen Plänen.
Möglich wird diese Aufrüstung durch die „Bereichsausnahme“ genannte Aussetzung der Schuldenbremse für die Militärausgaben, die vom alten Bundestag in einem zutiefst undemokratischen Hauruckverfahren mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen durchgepeitscht wurde. Dadurch wird es möglich, nach aktuellen Planungen allein zwischen 2025 und 2029 Kredite im Umfang von 378,1 Mrd. Euro zur Finanzierung der Militärausgaben aufzunehmen.
Perspektivisch soll der aus dem Haushalt und nicht über Schulden finanzierte Anteil jedoch stetig erhöht werden, was nicht ohne drastische Kürzungen in anderen Bereichen machbar sein wird. Ohnehin an Sozialkürzungen interessierte Akteure laufen sich bereits warm: „Thorsten Frei von der CDU kündigt tiefgreifende Veränderungen im sozialen Sicherungssystem an. Als einer der Hauptakteure in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD fordert er eine grundlegende Neuausrichtung der Haushaltsprioritäten. Gesundheit, Pflege und Rente stuft Frei als zentrale Herausforderungen ein. Für ihn steht fest: Einsparungen lassen sich in diesen Bereichen nicht mehr vermeiden.“ (table.media: 18.04.25).